Beerdigung WASG-Kreisverband Darmstadt
Die folgende Erklärung des WASG KV-Vorstandes Darmstadt und etlicher aktiver Mitglieder ist gestern der Presse zugeleitet worden. Der gesamte Vorstand sowie Stadtverordneter und Parteitagsdelegierter sind mit sofortiger Wirkung
zurückgetreten und aus der WASG ausgetreten (insgesamt 12 Mitglieder). Wobei einige Mitglieder schon vorher ausgetreten waren und einige Mitglieder in den nächsten Wochen noch austreten werden. Hier die Erklärung:
Vorstand und Mitglieder der WASG Darmstadt:
Das Projekt einer neuen gemeinsamen demokratischen linken Partei ist gescheitert.
Machtpolitische Interessen und undemokratische Verfahren sind federführend bei der Übernahme der WASG durch die Linkspartei/PDS. Wir treten aus.
Viele Mitglieder der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit, so auch in Darmstadt, haben sich inzwischen von der WASG verabschiedet. Schmerzlich haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Ziel einer neuen gemeinsamen demokratischen linken Partei von den Führungen von WASG und Linkspartei/PDS zunehmend instrumentalisiert wurde. War anfangs noch von einem demokratischen Zusammenwachsen,
einem Zusammengehen auf gleicher Augenhöhe die Rede, zeigt sich inzwischen, dass es nur um die Westerweiterung der PDS geht. Die WASG soll als Ganzes in der Linkspartei/PDS unter deren Führungsanspruch aufgehen. Die Bundes- und Landesvorstände der WASG haben sich in ihrer Mehrheit dieser Zielsetzung
angeschlossen. Schließlich geht es auch um gut dotierte Abgeordnetenmandate,
Vorstandsposten, Beschäftigungen als Fraktionsmitarbeiter, Gelder aus öffentlichen Kassen. Wichtige demokratische Prinzipien, wie die Trennung von Amt und Mandat, sind kein Thema für die Führungsriegen der WASG. Im Gegenteil: Anträge werden auf
Parteitagen nicht behandelt, ja es wurde sogar versucht den letzten Bundesparteitag gar nicht stattfinden zu lassen. Dissense zur Linkspartei, so der WASG-Bundesvorstand, dürfen auf keinen Fall aufkommen. Beschlüsse von Landesparteitagen wurden vom Bundesvorstand für nichtig erklärt, Landes- und Kreisvorstände abgesetzt. In einigen Fällen mussten Mitglieder erfolgreich Gerichte
in Anspruch nehmen, um widerrechtliche Aktionen von oben zu beenden. Ganz anders das Bild bei der Linkspartei. Sie ist sich gewiss, dass die Vorstände der WASG sich bedingungslos dem Führungsanspruch und Politikstil der PDS unterwerfen.
Daher wurde der PDS-Kreisverband in Darmstadt auch dann unterstützt, als er entgegen der Beschlusslage beider Parteien, ein gemeinsames Auftreten mit der WASG bei der Kommunalwahl ablehnte und lieber mit der DKP zusammenarbeitete. Einer Partei, die die DDR immer noch für den besten aller deutschen Staaten hält. Offiziell betont die DKP ihre Eigenständigkeit und ist nicht in den Fusionsprozess einbezogen.
Merkwürdigerweise hat sie trotzdem Vertreter in Gremien, die den Fusionsprozess beeinflussen. In Darmstadt hat die DKP sogar die Führung der Linkspartei-Fraktion übernommen. Mitarbeiter dieser alten (und neuen) DKP/PDS-Fraktion traten sogar in die WASG ein und sabotierten deren Arbeit durch Wahlanfechtungen, Anzeigen und Verleumdungen. Der WASG-Landesvorstand tolerierte dieses Verhalten, da Wohlverhalten gegenüber der PDS zum Maß aller Dinge erklärt wurde.
Die vollkommene Selbstaufgabe der WASG hin zur PDS hat zu einem politischen Wechsel geführt: von demokratischen Diskursen zu zentralistischen Ordern, von der Vision einer sozialeren Gesellschaft zur Machtteilhabe um jeden Preis. Diese Entwicklung, verbunden mit den lokalen Erfahrungen, haben die ehemals aktiven Darmstädter Mitglieder der WASG, darunter den Kreisvorstand und den Stadtverordneten, zum Austritt aus der WASG bewogen. Dies bedeutet keinen Rückzug aus der Politik, aber
eine klare Absage an das Projekt PDSplus. Diese "Linke" wird kaum mehr entwickeln, als das was sie in Berlin an neoliberaler Politik praktiziert. Eine Tendenz zu einer basisdemokratischen mehrheitsfähigen linken Partei ist nicht mehr zu erkennen.
Wir, die wir im Vorfeld der Darmstädter Kommunalwahl für das Projekt einer neuen Linken auch auf kommunaler Ebene geworben und Menschen motiviert haben, der WASG ihre Stimme(n) zu geben, entschuldigen uns bei unseren Wählerinnen und Wählern
dafür, dass wir an dem Eindruck mitgewirkt haben, eine neue demokratische und soziale Politik habe in der WASG eine politische Heimat und gemeinsam mit der Linkspartei eine Zukunft. Unsere eigenen Hoffnungen waren beständiger als die von Taktik geprägte tatsächliche Entwicklung der alten Linken in neuen Schläuchen.
Darmstadt, xx.xx.2007 gez. xx xx
(Unterschriften aller Beteiligten)